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Das 1959 von Stanislav Lem verfasst Buch war sein erster Science Fiction Roman, in dem er auf verschiedenen Ebenen viele ethische Fragen über die zukünftige Entwicklung der Menschheit aufwirft.

Ein Captain und seine Crew, bestehend aus einem Chemiker, einem Arzt, einem Ingenieur und einem Kybernetiker, stranden auf einem ihnen unbekannten Planeten. Bei der Bruchlandung wird das Schiff stark beschädigt, aber die Crew bleibt unversehrt. Da sich die Männer sowieso auf einer Erkundungsmission befindet, wollen sie die Chance nutzen und den Planeten erforschen. Insgeheim zweifelt die Crew, dass sie jemals wieder den Planeten, den sie bald „Eden“ taufen, verlassen werden. Alle sind sich jedoch einig, dass Eden erkundet und wenn möglich Kontakt mit den Einheimischen aufgenommen werden sollte – denn Zeichen von Leben waren bereits aus der Luft ersichtlich gewesen.

Und so beginnt das Abenteuer der namenlosen Crew, die seltsamen, aus Sand zu bestehen scheinenden Pflanzen begegnet, in Fabriken vordringt, deren Sinn und Zweck sie nicht nachvollziehen können und die auch bald Kontakt mit den Bewohnern Edens aufnehmen. Ein Wesen, das sie Doppler taufen, dringt in ihr Schiff ein. Auch werden sie mit etwas konfrontiert, das ihnen wie Massengräber erscheint. Und die Unruhe mit den Einwohnern Edens wächst: sie werden mit Aspekten der Dopplerkultur konfrontiert, die sie an Genozide erinnert, bzw. an Versuchen an Dopplern. Ihnen fehlt der Einblick in die Kultur. Sie versuchen, rational, tolerant und vor allem objektiv das Volk zu beschreiben, aber sie wissen nicht, ob sie wirklich das sehen, was es zu sein scheint, oder ob sie stattdessen menschliche Maßstäbe ansetzen, die sie in die Irre führen.

Es kommt zu Konfrontationen. Ein Teil der Crew gerät in eine Massenpanik in einem Dopplerdorf, ein anderes Mal scheinen sie Zeuge eines Chemiewaffenangriffs zu werden. Außerdem kommt eines Nachts ein Doppler zu ihnen, der sie nicht mehr verlassen will. Er ist mehr wie ein Tier und weißt keinerlei Intelligenz auf. Kurz bevor die Crew soweit sind, den Planeten verlassen zu können, denn das Schiff ist weniger beschädigt als befürchtet, sucht sie ein weiterer Doppler auf. Er ist, wie sich bald herausstellt, Astrophysiker mit hoher Intelligenz und die Menschencrew erarbeitet eine Kommunikationsgrundlage mit dem Doppler. Der Kontakt ist hergestellt. Der Doppler berichtet von der kriegsgebeuteten Geschichte seines Volkes und Experimenten. Experimenten an Dopplern, die fehlschlugen. Deswegen sei das Volk gespalten, zur Hälfte physisch und psychisch stark behindert während die anderen weiterhin „normal“ seien. Doppler in der Fabrik herstellen, das war das Ziel gewesen. Biologie künstlich reproduzieren. Heute seien die resultierenden Krankheiten offiziell nur eine Krankheit. Eine geheime Regierung, die niemand kenne, würde alles lenken. Die Mannschaft verlässt schnellstmöglich den Planeten und die Flucht ist erfolgreich. Sie wenden sich voller Abscheu Eden ab.

Dieser Science Fiction Roman von Lem ist schwierig, auf vielen Ebenen. Zum einen ist es nicht leicht für den Leser, sich an den Schreibstil zu gewöhnen. Anders als in seinen frühen Romanen ist die Geschichte zunächst weniger mitreißend. Das mag daran liegen, dass Science Fiction, in dem Raumschiff-Crews auf unbekannten Planeten Bruchladen und diese erkunden, ein sehr gängiger Handlungsverlauf ist. Aber ich denke, das ist nicht der Hauptgrund. Vielmehr wird der Leser vor die Herausforderung gestellt, sich mit fünf Berufsbezeichnungen identifizieren zu müssen. Die Hauptpersonen haben keine Namen. Nur der Ingenieur wird im Laufe des Buches häufig Henry genannt. Warum Lem sich zu diesem literarischen Stil möglicherweise entschied, möchte ich etwas später erörtern. Vorerst noch zu den Schwierigkeiten, die das erste Drittel des Buches zu einer zähen Kost machen. Es passiert nicht viel. Insgesamt hat das Buch sehr wenig Handlung. Es wird vor allem diskutiert, viel hin und her überlegt. Die Handlung ist sicher nicht aktionsüberladen und erinnert vielleicht ein bisschen an eine sehr langsame diskussionslastige Star Trek Next Generation Folge. Was wiederum kein schlechtes Qualitätsmerkmal ist. Der Leser darf nur nicht nach dem Absturz am Anfang des Buches mit vielen Ereignissen zu rechnen. Neben langen Gesprächen beschreibt Lem in kleinstem Detail den fremden Planeten, die seltsamen Begegnungen mit den Fabriken und Einheimischen wobei er versucht, den Leser auf die Reise mitzunehmen.

Was den Roman fraglos auszeichnet, sind die ethischen Aspekte, die Lem anspricht und diskutiert. Viele Fragen sind später einem jeden Treckie unter dem Schlagwort „Erste Direktive“ bekannte und sie werden hier ausführlich erörtert. Was bedeutet es, menschliche (bzw. westliche) Maßstäbe auf andere Kulturen anzuwenden? Verstehen wir überhaupt, was wirklich geschieht? Vielleicht sehen diese Wesen bestimmte Taten überhaupt nicht als einen negativen Akt an? Womöglich ist ein bestimmtes Stadium, das wir als Tot interpretieren, gar nicht dasselbe wie bei uns?! Und was würde das Resultat einer Einmischung sein? Das Richtig und Falsch wird viel bei Lem besprochen und spricht für den Stil des frühen Science Fictions. Wie bereits angesprochen, es geht hierbei nicht um Aufregungs- und Gruseleffekte sondern um Konsequenzen menschlichen Handelns.

Aber natürlich hat das Buch auch noch eine tiefergehende Ebene, die ich als Ermahnung der menschlichen Zivilisation auffasse. Ich denke, Lem will mit den grausamen Resultaten der „Dopplerversuche“ eine Warnung aussprechen, die sicher auch auf seine Erlebnisse im Nationalsozialismus zurückzuführen sind, vielleicht auch auf seine Ausbildung als Arzt. Obgleich es möglich sein mag, am menschlichen Organismus zu experimentieren, sind die Resultate jedoch unvorhersehbar. Sie werden mit großer Wahrscheinlichkeit fehlschlagen und nur Grauen und Verzweiflung hervorrufen. Obgleich die Wissenschaft viel kann, sollte man sich hüten, alles zu probieren. Das ist Lems Plädoyer. Neben dieser Kritik streift der Autor am Ende des Buches auch kurz das Politische. Die Doppler leben offiziell in einer Anarchie, die jedoch aus dem Hintergrund von einer geheimen Gruppe gesteuert wird. Hiermit greift er intransparente Machtstrukturen an, die sich hinter einem Schleier von Geheimnissen verstecken, um nicht angreifbar zu sein. Es ist ein Aufruf für Demokratie. Eine Demokratie, die offen regiert, die Macht teilt. Dies kann wiederum als eine Anklage gegen das sowjetische stalinistische Regime verstanden werden.

Abschließend möchte ich noch eine kurze Interpretation zur namenlosen Crew geben. Ich denke, dass die Wahl, keine Namen zu vergeben Ausdruck eines allgemeingültigen Anspruches ist. Für Lem ist die gestrandete Mannschaft ein ideelles Abbild der Gesellschaft. Es gibt diese Menschen nicht, aber sollte die Menschheit jemals die Fähigkeiten der Raumfahrt erlangen, sollte sie, in Lems Augen, genau diese Eigenschaften aufweisen, die seine Crew hat: Kameradschaft, eigene Meinungen, ein starkes ethisches Verständnis, Interesse, Neugierde, höchste wissenschaftliche Kenntnisse, manuelle (handwerkliche) Fähigkeiten und ein überaus ausgeprägtes Einschätzungsvermögen. Dieses Idealbild braucht keine Namen. Es ist eben nichts weiter als ein Traum, eine Hoffnung.