Stanisław Lem, Der Unbesiegbare, 1964

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Der Unbesiegbare von Stanisław Lem ist eine packende Science Fiction-Geschichte, die es dem Leser schwer macht, das Buch aus der Hand zu nehmen. Thematisiert werden vor allem die Evolution von Maschinen sowie die Bedeutung menschlichen Lebens. Der Roman ist leichter zu lesen als frühere Werke Lems, gleichzeitig hat dies aber auch zur Folge, dass die Geschichte weniger tief geht und somit grundlegende technisch-philosophische Fragen nur oberflächlich berührt werden. Nichtsdestotrotz gibt das Buch viele Denkanstöße.

Die Crew des Schiffes Die Unbesiegbare ist auf Mission auf dem Wüstenplaneten Regis III. Acht Jahre zuvor war der Kontakt zu einem anderen Schiff der Raumflott, das den Planeten erkunden sollte, plötzlich abgebrochen. Es ist die Aufgabe der Crew, das Schicksal des verschollenen Raumschiffes zu ergründen und somit auch das Geheimnis des Planeten. Im Zentrum steht der Erste Offizier Rohan. Die Geschichte wird fast ausschließlich aus seiner Perspektive erzählt.

Regis III birgt viele Geheimnisse. Trotz bewohnter Ozeane scheint sich nie Leben auf dem Land entwickelt zu haben, die Crew entdeckt seltsame stadtähnliche Formationen in der Wüste und findet auch bald das verschollene Schiff. Obgleich das Schiff in Tackt ist und keine Anzeichen für einen Angriff zu finden sind, ist keines der Mannschaftsmitglieder mehr am Leben. Ihre Todesursache erscheint zu Beginn vollkommen unklar – sie scheinen einfach verhungert zu sein. Über Umwege stellt sich heraus, dass es auf der Erdoberfläche des Planeten durchaus Bewohner gibt, diese jedoch künstlicher Natur sind. Kleine, fliegenähnliche kristalline Maschinen behausen den Planeten. Durch Schwarmintelligenz haben sie die Fähigkeit, nicht nur sämtliche Kommunikationskanäle zu blockieren. Viel erschreckender für die Crew der Unbesiegbaren ist die Erkenntnis, dass dieser Schwarm durch hochkonzentrierte elektrische Felder sämtliche Erinnerungen löschen kann. Nicht nur Maschinen sondern auch sämtliche organische Lebensformen sind davon betroffen. Wer in das elektronische Feld gerät wird in den Zustand eines Neugeborenen versetzt. Die Rettungsmission entpuppt sich als ein großes Desaster, das für viele Crewmitglieder in vollständigem Erinnerungsverlust und für manche so gar im Tod endet.

Die Hauptperson Rohan ist ein junger, sehr ehrgeiziger Offizier, der den Posten des Kommandeurs im Auge hat. Er wird schwer von den grausamen Bildern der verstorbenen Crew des Schwesternschiffs mitgenommen. Zum einen ist er ein Einzelgänger und Beobachter zum anderen aber auch ein Draufgänger. Ihm ist der Titel des Buches Der Unbesiegbare zugeschrieben, denn gegen alle Widrigkeiten setzt er sich gegen die fliegenähnlichen Maschinen durch und beweist, dass er der Technik überlegen ist. Es ist sehr erfrischend, dass weder er noch irgendein anderes Mitglied der Mannschaft mit Frauenproblemen zu kämpfen haben. Anders als in Lems vorangegangenen Romanen wird hier kein verstörender weiblicher Charakter eingeführt. Frauen fehlen vollständig in der Geschichte – persönlich bevorzuge ich diese Abwesenheit über Lems doch sehr eigentümlichem Weiblichkeitsbild, das beispielsweise in Solaris oder Rückkehr von den Sternen Ausdruck findet. Es ist natürlich auch Ausdruck der Zeit, in der Frauen weder als Offiziere noch als ernst zu nehmende Wissenschaftler gesehen wurden. Lem scheint jedoch einen ganz besonderen, fast ehrfurchtsvollen Blick auf Frauen zu haben, wie viele andere seiner Werke zeigen.

Mit Bezug zu Der Unbesiegbare ist vor allem Lems Theorie von technologischer Evolution herauszuheben. Er wendet die gleichen Prinzipien auf technische Artefakte an, die wir für organisches Leben definieren. Der am besten angepasste Stamm überlebt. Da auf Regis III Energieknappheit herrschte, setzte sich der Schwarm durch, der nicht nur den Speicher der anderen großen Maschinen aber auch der organischen Konkurrenten löschen konnte, sondern auch eine effizientere Energiegewinnung und -verwertung aufwies. Gleichzeitig ist Lems Bild der Evolution ein düsteres, denn seine Lebewesen befinden sich in konstantem Krieg mit dem Ziel zu dominieren.

Spannend ist vor allem die unausgesprochene Dichotomie, die wir stets mit Technik verbinden. Lem schafft es brillant die Widersprüche von Technik in dem Roman zu vereinen. Auf der einen Seite genießt die Crew höchste technische Standards, die das Leben vereinfachen. Videoübertragung, ausgefeilte Sensoren und Speichermedien, fortgeschrittene Fortbewegungsmittel und Medizintechnik. Es werden unbemannte Flugkörper ausgesandt, die wir heute Drohnen nennen, Satelliten sind Kommunikationsübermittler und durch schier unbegrenzte Energiequellen können Schutzfelder und Waffen betrieben werden. Auf der anderen Seite zerstört Technik Leben. Intelligente Maschinen entwickeln eigene Überlebensstrategien und werden dadurch zum Verhängnis eines ganzen Planeten. Trotz dessen schreibt Lem der Technik keine eigene Intelligenz zu. Sie ist mächtig aber nicht unbesiegbar. Doch muss der Mensch sich alles unterwerfen? Diese Frage stellt sich Rohan am Ende des Romans. Es ist das wiederkehrende Thema Lems. Warum muss sich der Mensch stets alles Leben seinen eigenen Vorstellungen und Lebensweisen anpassen, warum sieht er in allem eine Bedrohung?

Atomenergie aber auch Atomwaffen haben zudem eine tragende Rolle, insbesondere mit Bezug zu Technik-Ambivalenzen. Sie spiegeln auf spannende Weise die Konflikte des Kalten Kriegs wieder. Als Heilsbringer und Zerstörer zu gleich sind sie Energiequelle und Antrieb, gleichzeitig aber eine tödliche Waffe, der jeder zum Opfer fällt.

Zum Schluss lohnt es sich noch die humanistischen Aspekte der Geschichte herauszustellen. Jedes menschliche Leben zählt im Zeitalter der Unbesiegbaren. Trotz Persönlichkeits- und Gedächtnisverlust wird jedes Crewmitglied wieder aufgenommen. Es werden keine Mühen gescheut, um diejenigen zu finden, die auf dem Planeten verloren gegangen sind – auch wenn ihr Überleben mehr als unwahrscheinlich ist.

Lem ist ein Optimist, der in den Zusammenhalt der Menschheit glaubt. Auch wenn er viele Eigenarten des Menschen harsch kritisiert herrscht in vielen seiner Geschichten doch zumeist ein Grundoptimismus bezüglich zukünftiger Entwicklungen.